Unser Wald ist durch die Folgen des Klimas in den letzten Jahren schwer geschädigt worden. Ob als Rohstoffquelle, ob als Schutzmechanismus oder als Erholungsraum, der Wald hat Einbußen in jeder Hinsicht davongetragen. Trotz einer leichten, flächenmäßigen Zunahme der Wälder befinden sich ihre Funktionen aktuell eher auf einem fallenden Niveau. Die Bundeswaldinventur gibt detailliert Aufschluss darüber, wie es um unseren Wald bestellt ist und welche Maßnahmen seiner Regeneration zuträglich sind und ergriffen werden müssen. Verschaffen Sie sich selbst einen Eindruck und bedienen Sie den nachfolgenden Link. Haben Sie eine spannende und aufschlussreiche Lektüre!
BWI-2022_Broschuere_bfMan muss die Formel nicht gleich verstehen. Mit Mathematik hat sie ohnehin nichts zu tun und dennoch will sie aufgelöst werden.
Wer ein „Stück Wald“ sein Eigen nennen darf und in der Lage ist, die Gleichung auf ihn anzuwenden, wird gut dabei fahren und messbare Erfolge erzielen. Wer dafür sorgt, dass seine Bäume stetig und dauerhaft (zu-)wachsen, wer ihre „Erziehung“ vom Jugendalter an im Sinne einer Pflege nach gesicherten Erkenntnissen in die eigene Hand nimmt, der wird sich eines Tages dort als Mitspieler wiederfinden, wohin es die Exkursionsgruppe des Waldbauvereins Rhein-Lahn verschlug. Aber der Reihe nach….
Wald wird im Allgemeinen als eine Bodennutzungsform verstanden, die vom Vorhandensein einer Mindestausstattung an Bäumen geprägt ist. Diese Bäume wiederum sind in der Lage, im Zusammenspiel mit den sie beeinflussenden Faktoren (Boden, Klima, Flora und Fauna, u. v. m.) besondere Funktionen zu erfüllen. Eine wesentliche davon ist die Nutzung des Rohstoffes Holz.
Dass Holz nicht gleich Holz ist, womit wir wieder bei Gleichungen wären, hat sich zwar mittlerweile überall herumgesprochen, doch bei Diskussionen, die jenseits der Fachschiene um dieses Thema geführt werden, geht es in der Mehrzahl der Fälle um die eine Holzverwendungsform schlechthin: Brennholz!
Es liegt auf der Hand, dass Hausbesitzern und Wohnungsinhabern – sie sind anzahlmäßig die breite Masse des Marktgeschehens – Holz zuallererst im Scheitholzformat in den Sinn kommt. Gerade im ländlichen Bereich ist Brennholz der „Renner“. Es ist haushaltsgebräuchlich, wächst in nächster Umgebung und mit seiner Aufarbeitung kennt „man“ sich aus. Diese Form der gesellschaftlichen Meinungsbildung ist einerseits gut, die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass dadurch leider auch zahlreiche Bäumen dem Nutzungszweck Wärmeerzeugung zugeführt werden, die gewinnbringender hätten verwertet werden können. So wird, unter Außerachtlassung der oben genannten Formel, vom vorhandenen Wertschöpfungspotenzial leider kein Gebrauch gemacht, womit man sich aber allzu leicht abfindet – es ist halt so.
Weil sich aber ein Baumstamm, auch ein solcher aus dem Privatwald, nicht nur für die Zerlegung in ein Meter lange Scheite eignet, sondern beim genauen Hinschauen möglicherweise sehr viel besseren Verwendungszwecken dienlich sein kann, sind Waldbauern und Waldbesitzer gut beraten, einen differenzierteren Blick auf die Dinge, will sagen, Bäume und Holz zu werfen – im ureigenen Interesse, versteht sich.
Um diese Sichtweise zur Anwendung im eigenen Wald zu erlangen, nutzten die Mitglieder des Kreiswald-bauvereins Rhein-Lahn am 08. März die Gelegenheit und verschafften sich einige Kenntnisse über solches Holz, das wegen seiner günstigen Eigenschaften dem Massenwarenschicksal entzogen wurde. Gemeint ist Wertholz, welches regelmäßig der Herstellung von Furnieren, Möbeln, Musikinstrumenten, Fässern, oder was einem sonst noch an hochwertigen Holzprodukten einfallen mag, zugeführt wird. Dessen Inaugenscheinnahme stand an diesem Freitag auf der Tagesordnung.
Nach kurzer Fährfahrt über den Rhein bot sich dem interessierten Exkursionsteilnehmerkreis nach der Ankunft am Wertholzplatz in Boppard der Anblick von fast 1.800 Festmetern Stammholz. Es war dort bereits mehrere Wochen zur Auslage gebracht worden und wartete nun auf seinen Abtransport in die Werke und Industriezweige, die es zu den schon erwähnten hochwertigen Holzprodukten verarbeiteten.
Exkursionsleiter Manfred Trenkhorst, der selbst Holz aus dem von ihm betreuten Forstrevier auf dem Wertholzplatz angeboten hatte, erläuterte in einem weitreichenden Überblick alles Wissenswerte zur komplexen Materie.
Hölzer von einem Wert, der über das Normalmaß hinausgeht, werden nicht einfach „verkauft“, sondern sie werden submittiert, erläuterte der Forstmann. Das bedeutet, dass der potenzielle Käuferkreis, der am Erwerb der angebotenen Hölzer interessiert ist, sein Kaufinteresse durch Abgabe eines schriftlichen Preisangebots kundtut. Bis zu einem festgelegten Zeitziel können solche Offerten an die Holzverkäufer gerichtet werden, wonach die Gebote -wiederum mit fest versehenem Eröffnungszeitpunkt- gesichtet und bewertet werden. So entscheidet sich schließlich durch „Zuschlag zum Gebot“, welch glücklichem Bieter der begehrte Stamm oder die begehrten Hölzer gegen Entrichtung des entsprechenden Kaufpreises übereignet werden.
Diejenigen, die einem Ankauf der Werthölzer nähertreten wollten, hatten selbstverständlich schon lange vor den interessierten Waldbäuerinnen und Waldbauern des Kreiswaldbauvereins den Wertholzlagerplatz in Boppard aufgesucht, um mit sachkundigem Blick ihre Einschätzung für jeden einzelnen Stamm, der von Interesse für sie war, vorzunehmen.
Doch was sind nun die Kriterien, die einen Baum(-stamm) aus Sicht der Erwerber, die ihn letztendlich verwenden wollen, zu Wertholz werden lassen?
Auch und gerade auf diese Frage lieferte der „wertholzerfahrene“ Förster Manfred Trenkhorst wiederum Antworten.
Während ein Baum im Wald wächst, bis er eine gewisse Zieldimension erreicht hat, muss er dieses Stadium im Wesentlichen vital, stabil und ohne (größere) qualitative Einbußen erreichen. Dazu, dass er das auch tut, können Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer einiges beitragen. Schon von klein auf spielt die Förderung besonders geeigneter Bäumchen, ganz gleich, ob sie aus künstlicher, oder aus natürlicher Verjüngung stammen, eine große Rolle. Zumeist bringen kräftige Individuen mit ausreichend Wurzel- und Blatt- oder Nadelmasse die besseren Voraussetzungen zum Start in die gewünschte Entwicklungsrichtung mit. Im späteren Bestandsalter kann dann mit unterschiedlichen waldbaulichen Mitteln und Methoden günstig auf die ausgewählten Bäume eingewirkt und ihr Werdegang beeinflusst werden. Das geht so lange, bis schließlich der „dicke“, wertholzträchtige Baum seiner Entnahme aus dem Waldgefüge entgegensieht.
Welche Baumarten gefragt sind, ist nicht selten Ausfluss eines Zeitgeists, der zum Trend wird. Stehen in einem Jahr helle Hölzer, wie Ahorn, Esche, Erle, Linde, Birke, oder Kiefer in der Gunst der Abnehmer, sind es im darauffolgenden die dunkleren, wie Eiche, Kirsche, Nuss, Robinie oder Lärche. Letztlich entscheiden Kunden mit ihrem Kaufverhalten darüber, was gerade „in“ ist und aktuell erleben dunklere Holzarten, wenigstens im Hinblick auf Boden- und Wandbeläge, geradezu ein Revival.
Trotzdem Werthölzer immer auch eine gewisse Dimension aufweisen, ist dieselbe nicht das Alleinstellungs-merkmal für wertvolles Holz.
Vielmehr ist es wie bei einem guten Dinner: Das Auge isst mit! Und so kommen Eigenschaften der Hölzer ins Spiel, deren Fehlen, oder Vorhandensein darüber entscheiden, welcher Wert einem Holzstamm seitens des potenziellen Erwerberkreises zugemessen wird.
Ist der Stamm gerade, oder krumm, weist er Äste auf, oder nicht? Verliert er vom Stammfuß bis zur Spitze stark an Durchmesser, oder ist die Stammrolle mit möglichst wenig Schwund behaftet? Entspricht die Farbe des Holzes der Vorstellung, oder gibt es irgendwo unerwünschte Farbeinschläge? Sind Beschädigungen am Stamm vorhanden, die seine Verarbeitung beeinträchtigen, oder noch schlimmer, die auf eine technische Entwertung des Holzes hinweisen? Wie ist die Holzstruktur? Sind die Jahrringe gleichmäßig aufgebaut, oder lässt sich beim Blick auf den Querschnitt bereits eine Einschränkung für die Verarbeitung zum vorgesehenen Produkt erkennen? Verlaufen die Holzfasern gerade, oder sind sie gedreht? Diese Dinge und noch einige mehr sind es, die den fachlich qualifizierten Betrachter des Nutzholzes zu seiner „Expertise“ kommen lassen. Darüber hinaus verfügen erfahrene Holzeinkäufer über die Gabe, „röntgenblickartig“ von der äußeren Beschaffenheit des Holzstammes auf sein Inneres zu schließen.
Auch Manfred Trenkhorst schaute zusammen mit den Exkursionsteilnehmern aus dieser Brille auf die zurechtgelegten Stämme, um, wie bereits gesagt, „Holz“ von „Holz“ zu unterscheiden.
Die Feststellung des Stammes, der den höchsten Preis erzielt (hat), wird bei jeder Submission mit Spannung erwartet. Im Jargon lautet dessen Bezeichnung „Braut“. Projiziert man diese Betrachtungsweise auf jede einzelne feilgebotene Baum- oder Holzart, kann es natürlich auch mehrere „Bräute“ geben.
Und so wären die Besucher des Wertholzplatzes um eine Erfahrung ärmer gewesen, hätte Vorstandsmitglied Trenkhorst nicht auch diese Exemplare ins Rampenlicht gerückt und deren Besonderheiten erläutert.
Zu einem guten Tagesgeschäft gehört bekanntlich ein guter Abschluss. Das in der Nähe gelegene Café Hillen kam der Exkursionsgruppe da gerade recht, um über die gewonnenen Erkenntnisse und Eindrücke bei Kaffee und Kuchen noch einmal nachzudenken.
An dieser Stelle wäre nun das Wesentliche zum Exkursionsverlauf gesagt, doch eine Frage sollte nun doch noch aufgeklärt werden. Woher stammt eigentlich die Bezeichnung „Braut“, mit der die dicksten und damit oft wertträchtigsten Stämme bezeichnet werden?
Hinweise hierauf lassen sich in den verschiedensten Bereichen finden, am plausibelsten aber erscheint jene Erläuterung, welche die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft in ihren „Beiträgen zur Traubeneiche“ veröffentlicht hat und die ins frühe 18. Jahrhundert datiert.
Die Geschichte führt uns nach Lohr am Main, an den Rand des Spessarts. Früher wie heute ist dieses Gebirge für seine stattlichen Eichen bekannt. So kamen auch das Kurfürstentum zu Mainz und die Grafschaft Hessen-Kassel (Hanau), die sich den Spessart zur damaligen Zeit im Wesentlichen teilten, sehr schnell dahinter, dass es neben dem althergebrachten (und eingangs bereits erwähnten) Brennholzverkauf weitaus lukrativere Holzgeschäfte abzuwickeln gab. Ihr besonderes Augenmerk galt den starken Eichen, die zum Schiff-, Deich- und Gebäudebau gebraucht wurden und die sich an den Küsten der Nordsee weitaus besser versilbern ließen, als es das Feuerholz für die Bevölkerung auch nur annähernd vermochte.
Für das „Zurichten des Holzes“ war die örtliche Bauernschaft im Dienst der Landesherren verantwortlich. Für sie war die „Holzerei“ im Winterhalbjahr ebenso gewöhnlich, wie die Feldarbeit im Frühjahr und Sommer. So entwickelte sich über die Jahre hinweg eine Tradition, die darauf beruhte, die stärkste Eiche, die verkauft werden sollte, stets als letzten Baum der Einschlagsaison zu fällen. Bevor das aber geschah, wurde dieser bestimmte Baum von den Holzarbeitern als „Waldbraut“ auserkoren und einer besonderen Zeremonie unterzogen. Der einstige Ratsdiener von Lohr am Main, Philipp Lebeis, beschrieb das Ritual um 1900 wie folgt: „Die vier Männer, die die Eiche fällen sollten, zogen ihren Hut und legten eine Gedenkminute ein. Sie dankten dem gewaltigen Baum, der als Braut anerkannt und verkauft werden sollte.“
Was folgte, war ein sehr aufwändiges und besonderes Fällverfahren, das sich über Stunden hinzog. Dann war es insbesondere der nachfolgende Transport des Stammes mit Pferdegespannen, der für Furore sorgte. Verfolgt von einem beachtlichen Menschentross wurde die Eiche durch die Stadt Lohr gekarrt, um sie „jedermann“ zu präsentieren.
Zu diesem „Hochzeitszug“ berichtet Lebeis weiter: „Der Eichstamm war die Braut. Der Bräutigam wurde von einem vorausreitenden Holzarbeiter dargestellt, der einen Rosmarinzweig am Hut trug und einen großen Krug mit Wein in der Hand hielt. Dann folgten Musikanten, die lustige Weisen spielten. Erst danach kam der Eichstamm, von vier, sechs, oder auch acht Pferden gezogen und von einer jubelnden Kinderschar umsprungen. Ihn hatte man auch mit einem Fichtenbäumchen geschmückt, an dem bunte Bändchen hingen. Den Schluss bildeten die sogenannten Holländer Herren, die Erwerber des Stammes, die in gravitätisch steifer Haltung dem Zug folgten.“
Wie wir am Beispiel der „Braut“ sehen, können es auch schöne Bräuche sein, die nachhalten und damit „ganz nebenbei“ die eingangs gepriesene Wertschöpfung gleichzeitig mit Wertschätzung einhergehen lassen.
In einer Gegenwart, in welcher der Stellenwert des Holznutzungsgedankens ein wenig aus dem Blick zu geraten droht, dafür aber ein buntes Allerlei an „Events“ in oder mit der „Location“ Wald zur Deckung menschlicher Bedürfnisse zunehmend Raum greift, könnte man in Erwägung ziehen, die Tradition von Lohr am Main anlässlich künftiger Wertholzvergaben wieder aufleben zu lassen – wir hätten dann immerhin zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.